Der Straßenjunge von Kairo

Ein Junge streift durch die Stadt, ungewaschen, schmuddelig, hungrig. Die kleinen Augen blitzen gesucht.

Kauern, Kinn am Hals, Augen halb zu, fokussieren, sehen, erkennen, Gelegenheit, aufspringen, zugreifen, rennen, rennen, rennen, abtauchen, verstecken. Hasenhaken schlagend entkommt er den Jägern. Wühlt sich in dieser Tasche.

Oh, wie wunderbar das riecht! Ein Parfümfläschchen, dem eine Welle von Verwirrnis entschwebt. Frau, Mutter, Mädchen, etwas Weibliches – Bilder huschen über das Gesicht des Jungen.

Er dreht sich, er schlägt um sich, er fällt, er saugt den Geruch auf und atmet ein, was nicht satt macht, nicht heil, nicht schön, nicht sauber, aber glücklich – für einen Moment.

Sein Kopf fällt vorn über die Tasche in den Staub der Straße. Er bleibt einfach liegen. Sein Kopf dreht sich, er blickt in die roten Junibäume. Menschen laufen vorbei, ein Hund streift ihn warm und erdig.

Die Hand in der Tasche greift nach einer Portemonnaie. Ja, das wollte er. Da ist es. Jetzt ausräumen, dann alles wegwerfen, verschwinden. Das Handy nicht vergessen! Ja, das ist es. Auch raus und weg. Aber das Fläschchen! Wo ist es?

Die Nase, das Gesicht, den Kopf in der Tasche – ein tiefer Zug. Blauer und oranger Nebel ziehen in seinen Kopf, schließen ihm die Augen, verlangen Zeit.

Wieder sackt der Kopf des Jungen auf den Boden. Fest umgreifen die Hände das Leder und ziehen es unter die Brust. Hart liegt er mit dem ganzen Gewicht auf der weichen Tasche. Er umarmt das Leder. Schnell verliert er das Bewusstsein.

Die Frau, die vor ihm steht, ist nicht seine Mutter, nur die Weichheit, die er umarmt, das ist seine Mutter.

Sie legt ihren schwarzen Schleier um ihn und neigt ihm ihr Gesicht zu. Sie wischt eine Haarsträhne unter ihrem Tuch und klimpert leise ihre Armreifen. Sein kleiner Körper sackt zusammen, gibt den Widerstand auf gegen die Verfolger.

Er steht auf, nimmt die Tasche vor die Brust, sieht sich um und setzt sich in Bewegung.

Schleier um Schleier schließt sich ihm an, viele bunte, schwarze, leichte, schwere, durchsichtige, schimmernde, klimpernde, blitzende, fliegende Schleier.

Er geht, Kinn auf den Hals gelegt, fest mit seiner Tasche verbunden, weite Schritte aus dem Versteck auf die Straße hinaus. Er steigt hoch zu den roten Juniblüten, grüßt die tapferen Bäume, die ihn willkommen heißen, geht weiter, ohne sich noch einmal umzusehen und lässt seine kleinen mageren Köper liegen auf der grauen Straße, die ihm Heimat war, aber nicht Mutter, nicht Frau, nicht Freundin, nie Zuflucht.

Eine einzige große Umarmung fügt ihn in die Arme der Bäume. Um ihn legen sich alle vielen, klimpernden, schwarzen Schleier, der Duft und die Wärme.

Bald schon lässt sich ein Vogel neben ihm nieder, der einen wundersamen Gesang anstimmt, den ich glücklich höre, wenn mein Blick leise hinüber zu den roten Bäumen zieht.